Deadline-Manifest

Inhalt:

So ihr denn dieses Schreiben in der Hand haltet, seid ihr wahrscheinlich gerade in den Besitz eurer Aufnahmen durch das Deadline Studio gelangt, denn genau dies ist der Zeitpunkt, an dem ich, als der betreuende Techniker, immer noch ein paar Worte an die Bands richten möchte, die ein wenig das reflektieren, was ich an Erfahrung in den letzten Aufnahmejahren so gesammelt habe.
Gleich zu Anfang darf ich es nicht vermeiden zu betonen, das sich weder der WB13 noch sein Zögling Deadline als eine Art sozialpädagogische Einrichtung verstehen, deshalb sei euch mit Nachdruck das Recht eingeräumt, das folgende zu ignorieren, sich darüber lustig zu machen oder sonstigen Modifikationen zu unterziehen. Meine Arbeit bei Deadline hat mich jedoch auf eine Anzahl von vermeidbaren Fehlern aufmerksam werden lassen, die ich im Folgenden kurz anzusprechen zu gedenke, ohne, wie bereits erwähnt, Beachtung von meinen Klienten zu erwarten.

Die Vorbereitung

Dem Entschluß einer Aufnahme sollte in erster Konsequenz eine zeit-, kosten- und nervensparende Vorbereitung folgen. Damit meine ich, daß sich alle Mitglieder der Band mit der Struktur und dem Aufbau der einzuspielenden Songs befassen. Hilfreich, auch für mich als Techniker, sind grafische Gliederungen, in denen die Anzahl der Strophen, Wiederholungen und Solis deutlich werden. Also einfach mal die Texte der Lieder, sofern vorhanden, abtippen und dazuschreiben, wann was wo wie oft wiederholt oder modifiziert wird. Dies erleichtert ungemein die Verständigung innerhalb der Band und auch zwischen Band und Techniker, wenn es daran geht, an bestimmte Stellen eines Songs zu springen.
Des weiteren ist es selbstverständlich, das die Musiker in der Lage sein sollten, die Stücke fehlerfrei einzuspielen. Probt in der Zeit vor den Aufnahmen verstärkt die Songs, die ihr gedenkt einzuspielen. Sollten sich bis zum Termin immer noch Unsicherheiten abzeichnen, laßt den Song dann lieber aus dem Programm und spielt ihn beim nächsten mal mit ein. Die Fehler, die beim Einspielen aufs Band kommen werden mit Sicherheit auch auf den Aufnahmen zu hören sein und führen in der Regel dazu, daß man selbige in ein paar Wochen nicht mehr gerne hört. Schade um die Zeit…

Die Songauswahl

Obwohl die Verlockung sicherlich groß ist, im Rahmen einer Produktion ein komplettes Album einzuspielen, hat es sich oft zum Nachteil entwickelt, wenn die Bands mit zuviel Songs im Gepäck die Aufnahmen beginnen. Dabei kommt eine recht triviale Abhängigkeit zum Tragen: Je länger man sich Zeit für einen Song nimmt, desto besser gelingt er. Dies bezieht sich sowohl auf die Qualität beim Einspielen, als auch auf die Qualität des letztendlichen Mixdowns. Mit Mammutproduktionen, und darunter zählt alles, was nicht auf eine Spule (24 min) passt, ist Deadline in der Regel überlastet, d.h. die Zeit, die nötig wäre, um 50 Minuten Musik anständig klingen zu lassen, hat keiner der bei Deadline tätigen Techniker. Üblicherweise gehen solche Projekte qualitativ bereits in der Entstehung den Bach hinunter, da abgesehen von der zu bezahlenden Zeit ebenfalls die Konzentration der Musiker auf ein nicht vertretbares Maß beansprucht wird, so daß beispielsweise bereits das Rohmaterial eines 7 Stunden hintereinander einspielenden Musikers in dem Maße fehlerdurchtränkt ist, daß auch beim Mixen nicht mehr viel zu retten bleibt… Am liebsten sind mir Projekte über 4 – 5 Songs, und die Erfahrung zeigt, das diese Aufnahmen auch am besten gelingen. Wenn ihr mehr vorhabt, teilt das Programm und kommt ein Vierteljahr später noch einmal zum Aufnehmen

Die Termine

Alle Deadline-Techniker (Alexis, Acke, Banscher etc.) arbeiten ehrenamtlich, d.h. für die Zeit, die sie mit Euch Bands verbringen, erhalten sie weder Geld noch sonstige Vergütungen aus dem WB13 Fond. Das Geld, das ihr bei Deadline laßt, wird 100% in neue Technik, bzw. den Erhalt der alten gesteckt. Seht es den Technikern also nach, wenn abgesprochene Termine nicht völlig minutiös eingehalten werden, da die Motivation der Leute eben daher kommt, daß das Wirken bei Deadline nicht als ein festes Arbeitsverhältnis verstanden wird. Des weiteren verschont die Techniker mit Arbeitszeiten über 8h. Im Einzelfall wird sicher niemand etwas dagegen haben mal die eine oder andere Sache über die Zeit zu beenden, aber es sollte nicht zum Regelfall werden. Für eure Kosten spielt diese „Nachlässigkeit“ absolut keine Rolle, da ihr nur die Zeit bezahlt, in der die Techniker an eurem Projekt arbeiten.

Der Gitarrist

Ein Sorgenkind der Deadlineproductions. Es fehlt uns weitestgehend an der Technik (Röhrenkompressoren/-vorstufen) um aus dem eingespielten Material wirklich fette Klampfensounds zu generieren. Setzt euch mit dem Amp, den ihr benutzt, auseinander und probiert, von Hause aus einen guten Klang zu fahren. Eine mögliche Abhilfe ist oft das Bespielen von mehreren parallelen Spuren. Projektiert also eure Songs so, daß, so unfair es für die anderen Musiker erscheinen mag, bei den 8 zu verwendenden Spuren 2 oder 3 für die Gitarre übrig bleiben. Generell gilt, das jeder Sound der Gitarre (clean/dist.) eine extra Spur bekommt. Überlegt euch also, was ihr in den Songs, bei denen ihr Live zwischen clean und dist. wechselt, mit der Gitarre macht.

Der Bassist

In der Regel gibt es hier wenig Komplikationen. Wir haben die Möglichkeit entweder inline über DI ins Pult zu gehen oder einen Bassamp mit Mikro abzunehmen. Die inline-Variante würde ich allen Bassern mit einem ausgeprägt tiefen Sound empfehlen, wohingegen bei schneller, lauter Musik der Bass bei Deadline sowieso etwas mittiger gemixt wird, um ihn gegen den Lärm noch durchsetzen zu können. Hier sollte auf den Amp zurückgegriffen werden, da sich damit der Bassound wesentlich rauher / natürlicher gestalten läßt. Absolute Priorität hat jedoch das Spiel mit gleichmäßiger Lautstärke. Die Lautstärke des Basses im Endmix richtet sich nach seiner lautesten Note. Wenn der Rest stellenweise leiser gespielt wird, ist der Bass ebend an diesen Stellen nicht zu hören.
Schade um die Zeit…

Der Drummer

Deadline verfährt wie folgt: Zu Beginn jeder Aufnahme wird zu einem Infomix über Kopfhörer das komplette Drum auf 8 Spuren aufgenommen und anschließend auf Stereo zurückgemixt. Dieses bedeutet, das der Rest der Band dazu in der Lage sein muß, allein zu der Schlagzeugspur den Song einzuspielen. Daraus ergeben sich einige Komplikationen: Fängt ein Song mit dem Einzählen der Sticks an, wird auch genau so angefangen. Sollte man darauf verzichten wollen, die Einzählung später auf der Aufnahme zu hören, wird 4x hörbar ( für den Rest der Band ) eingezählt und 4x stumm eingezählt. Dieses ermöglicht später dem Techniker ein sauberers Ausschneiden der Einzählsequenz ohne Gefahr zu laufen, den Auftakt der eigentlichen Drumsequenz anzuschneiden. Sollten in dem Song Passagen auftreten, wo das Drum aussetzt, muß man sich über ein für den Rest der Band verständliches Metrum einig werden. Auch hierfür gilt, wenn es beim Endmix nicht zu hören sein soll, braucht der Techniker Raum um die Sache gefahrlos ausschneiden zu können.
Sollte euch an einem guten Schlagzeugsound gelegen sein, tut uns den Gefallen, und haut rauf !!! Nix ist so ärgerlich beim Mixen, wie eine zu lasch gespielte Snare oder Kickdrum. Ihr werdet es bei den Aufnahmen hören, wann sich ein Snareschlag durchsetzt (und wann nicht) und es besteht hierbei eine nahezu exponentiale Abhängigkeit zwischen Schlagkraft und Drumsound. Investiert gegebenenfalls in ein neues Snarefell, das ihr mit zu den Aufnahmen bringt, wenn das alte seinen Geist aufgibt aber spielt nicht wie jemand, dem viel daran liegt, das sein Snarefell ein hohes Alter erreicht.
Es gibt bei uns darüber hinaus die Möglichkeit mit Klick einzuspielen. Es ist in jedem Falle empfehlenswert sich einer solchen „Uhr“ zu unterziehen, auch wenn das Einspielen selbst meist eher unangenehm ausfällt. Wichtig ist, das nur der Drummer mit Klick einspielt, der auch durch entsprechendes Training dazu fähig ist so zu spielen, daß man den Klick seiner Spielweise nicht anmerken kann.

Der Gesang

Es ist in der Tat schwierig in so einer nüchternen Atmosphere wie der in den Deadline Räumen emotionale Sachen zustande zu bringen. Ich weiß auch nicht, wie man sich dieser Hemmschwelle entledigt, aber ich weiß, das von dieser Hemmschwelle auf Band nichts zu hören sein darf. Ein kleine Hilfe bietet sicher ein überdurchschnittlich lauter Kopfhörermix, in dem man sich selbst nur sehr unterschwellig wahrnimmt. Man wird dadurch gezwungen, laut und kräftig zu singen, was in den meisten Fällen bereits die halbe Miete ist. Obwohl wir die Stimmen komprimieren, unterliegt kaum ein anderes Instrument derartigen Lautstärkeschwankungen. Es ist also hilfreich für den Techniker, wenn ihr bereits beim Einsingen darauf achtet, das ihr laute Stellen in Song mit einem größeren Abstand zum Mikro bedenkt, als die leiseren. Probiert die dazugehörige Fertigkeit mit dem Abstand zum Mikro zu arbeiten im Proberaum aus, diese Fertigkeit kennzeichnet einen guten Sänger wie einen exakten Drummer. Bei Gesangsprofis erweist sich das Hin- und Herschieben der Fader beim mixen als völlig überflüssig. Auch live werden Euch die Tontechniker für diese Fähigkeit mit Dank beachten.

Der Hall

Alle in unserer Umgebung wahrgenommen Geräusche sind mehr oder weniger mit einem natürlichen Hall beaufschlagt, welcher aus Reflektionen und deren Überlagerung an den verschiedensten Flächen entsteht. Ein verbreiteter Irrglaube ist daher, Geräusche als natürlich zu empfinden, wenn sie ohne Hall in Erscheinung treten. Wer es nicht glaubt, kann sich einmal in einen schalltoten Raum begeben und dort auf die Natürlichkeit seiner Worte warten. Er wird dies lange tun… Mit dem gezielten Einsatz eines Halleffektes virtualisiert man einen Raum, den man über die Parameter Decay, Density etc. in seiner Größe und Form festlegen kann. Da die meisten Aufnahmen bereits mit einem eher minder attraktiven Raum aufgenommen werden (Konzertraum im WB13), sollte es nicht verwundern, wenn die Aufnahmen von Deadline generell sehr hall-lastig ausfallen. Für die Verständigung mit dem Techniker ist es von Bedeutung sich über die oben genannten Parameter im Klaren zu sein. In der Regel läßt sich die Hallzeit / Länge (Größe des Raumes) und die Halldichte (Wet/Dry) modifizieren und genau die Angaben sind auch dem Techniker zu übermitteln, denn die Aufforderung „mehr Hall“ beispielsweise ist für gewöhnlich zu unpräzise.

Frequenzen

Ähnlich der Problematik mit dem Hall, scheitern viele Wunschumsetzungen der Musiker an der unpräzisen Bezeichnung der Frequenzvorstellungen. Analog zu den am Deadline-Pult vorhandenen Stellglieder, haben wir Einfluß auf Höhen ( 10 KHz) parametrische hohe Mitten, parametrische tiefe Mitten und Bässe ( 80 Hz). Dabei wird der Sound entgegen weitverbreiteter Annahmen nicht von den Höhen und Bässen realisiert, sondern maßgeblich durch sein Mittenspektrum. Im Grunde sind die 10 KHz bzw 80 Hz nur „Soundverbesserer“, der eigentliche Klang wird über die parametrischen Mittenfilter justiert. Beobachtet die Frequenzen bei der Justierung eurer Amps und merkt euch spezifische Bänder. Welche Frequenz wo anzutreffen ist und was bewirkt ist oftmals hilfreich zu wissen und erleichtert den Ausdruck eurer Klangvorstellungen.

Credits

Wie bereits in einem der oberen Punkte erwähnt, arbeiten die Techniker bei Deadline ehrenamtlich. Ein Weg, sie wenigstens mit Ruhm zu entlohnen ist deren Erwähnung in den Booklets / Covern der in den Deadline Studios entstandenen Aufnahmen. Gleiches gilt für das Studio selbst, welches sich auch immer freut, auf Veröffentlichungen namentlich zu erscheinen. Darüber hinaus wäre es wünschenswert, wenn zwecks Archivierung und auch zwecks der Produktion der WB 13 Sampler nach Vollendung (auch in grafischer Hinsicht) ein Exemplar der Produktion in den Händen des Deadline Studios landet.

Schlusswort

Ich hoffe ihr seid mit den Aufnahmen trotz einiger sicherlich immer bestehenden Unzulänglichkeiten zufrieden und beehrt uns wieder einmal mit euren Besuch. Obwohl wir sicher ständig daran arbeiten besser zu werden, habt ihr einen Einblick darüber gewonnen, was bei Deadline möglich ist und was nicht. Stimmt eure Vorstellung mit dem Konzept dieses Studios ab und setzt die Erwartungen an den Sound nicht zu hoch an. Nehmt in unserem Falle Deadline als eine Möglichkeit wahr, recht unkompliziert in den Studiobetrieb hereinzuriechen, oder Projekte zu verwirklichen, deren Unkonventionalität die Rahmenordnung gewöhnlicher Studios sprengt.